Ungleiches Duo kämpft für Schleifer Dialekt

Lausitzer Rundschau23. September 2018

Kamenz/Schleife. Der Handrij-Zejler-Preis für Verdienste um die sorbische Sprache ist in diesem Jahr an Dieter Reddo und Juliana Kaulfürst aus der Schleifer Region verliehen worden.

„Schuster, bleib bei deinen Leisten“, heißt es oftmals. Leicht abgewandelt könnte man auch sagen: Fleischer, bleib bei deinen Schinken. Doch der Volksmund irrt auch manchmal. Denn glücklicherweise blieb Dieter Reddo nicht bei seinen Schinken. Als gelernter Fleischer hat er viele Jahre lang bei seinen Nachbarn in Klein Trebendorf und den umliegenden Dörfern Schweine geschlachtet. Dabei hörte er vieles, was außerhalb der geschlossenen Hoftore selten erklang. Erzählungen von bäuerlicher Arbeit und von Bräuchen, Volksweisheiten und Sprüche – und dies alles in einer Sprache, die schon damals im Schwinden begriffen war: im Schleifer Sorbisch.

Dieter Reddo hörte genau hin, fragte nach, notierte. „Acht Jahre habe ich gesessen und geschrieben, zusammen mit meinem Freund Hartmut Hantscho. Er ist in die Archive gegangen und hat Fehlendes ergänzt.“ 200 sorbische Volksweisen kamen so zusammen, blieben aber zunächst bei Dieter Reddo zuhause liegen.

Bis Juliana Kaulfürst kam. Die gebürtige Bautzenerin, aus einer deutschen Familie mit verschütteten sorbischen Wurzeln stammend, war als „Spracharbeiterin auf Montage“ nach Schleife gekommen, wie es in der Laudatio für die diesjährige Zejler-Preisträgerin hieß. Die studierte Slawistin ging im Auftrag des Domowina-Kreisverbandes in die Schulen und in den Njepila-Verein. Sie wollte erfahren, was vom Schleifer Sorbisch noch übrig war – und ob man es vielleicht, allen Unkenrufen zum Trotz, doch noch retten kann. In dieser Situation lernten sich Dieter Reddo und Juliana Kaulfürst kennen. Er, der heute 74-jährige Ur-Sorbe, der die Sprache mit der Muttermilch aufgesogen hatte, und sie, die nur halb so alte Wahlsorbin, die sich die Sprache mühsam, aber mit unendlichem Enthusiasmus mithilfe von Liedern erschloss, gaben anfangs sicher ein recht ungleiches Gespann ab. Und doch war es Dieter Reddo, der große Hoffnungen in die junge Geistesverwandte setzte – plante er doch, mit ihrer Hilfe ein Schleifer Liederbuch herauszugeben.

„Ich habe in Schleife ein weiches Nest gefunden, mit vielen lieben Menschen, die mir geholfen haben“, sagt Juliana Kaulfürst heute in der ihr eigenen poetischen Art. Sie verwendet gern Bilder von Vögeln, wenn sie von der sorbischen Sprache spricht, ebenso wie es schon der Dichter Jurij Koch tat, von dem der Satz stammt: „Ich wünsche mir, der schöne Vogel möge noch da sein. . . . Eine Farbe weniger.“  Der Verein Kólesko (Spinnrad) bietet ihr eine geistige Heimat, voller Mitstreiter, denen ebenso wie ihr der Erhalt des „schönen Vogels“ am Herzen liegt. Das Schleifer Liederbuch von Dieter Reddo und Hartmut Hantscho ist erschienen – und seitdem noch viele weitere Publikationen, von denen jede eine neue Feder für den arg gerupften Vogel darstellt.

Besonders bemerkenswert ist das Buch „Erzählungen aus dem Grastuch“, in dem Juliana Kaulfürst Gespräche mit Schleifer Sorben verarbeitete. 2018 erschienen ein Sagenbuch und eine CD mit Schleifer Liedern und Chorälen. „Das mehrt den Stolz auf das Eigene beträchtlich und lässt die Hoffnung aufkommen, dass sich der Schleifer Dialekt vielleicht doch wiederbeleben lässt“, wie es in der Laudatio hieß. Zum Beispiel, wenn Menschen, die noch nie sorbisch gesprochen haben, Lieder im Schleifer Dialekt singen. Oder auch die Knirpse in der Rohner Kita, die zuhause noch kein sorbisches Wort gehört haben. Dies haben eine junge Frau vollbracht, die schöne Vögel mag – und ein Fleischer, der nicht bei seinen Schinken blieb.

Uwe Menschner


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Sprachdokumentation Schleifer Sorbisch

Die eigene Sprache kann als das entscheidende Merkmal der Minderheitsidentität angesehen werden. Die Anwendung der eigenen Sprache ist Symbol der Zusammengehörigkeit von Menschen in einer Gruppe bzw. in einem Siedlungsgebiet.

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